Zu Wassertürmen, Kanälen und Brunnenfiguren: das wasserreiche Augsburg ist UNESCO-Welterbe

Text: Martin Kluger, Fotografie: Martin Kluger (3)

Das Schaurad am Schwallech ist der 2015 installierte Nachfolger eines 2012 abgebauten, weil maroden hölzernen Wasserrads. Die Beschilderung erinnert an die 163 Wasserräder, die zum Beispiel 1761 inner- und außerhalb der Stadtmauern exakt 78 Werke (die Räder von Getreide-, Säge-, Schleif-, Polier-, Öl-, Walk- und Papiermühlen, Hammerwerken und Wasserwerken) antrieben. Das Pansterrad ist ein Denkmal der Wasserkraftnutzung, das im Rahmen des Bewerbungsprozesses um das Welterbe-Prädikat dank zahlreicher Spenden von Unternehmen und aus der Bevölkerung errichtet werden konnte.
(Foto: Martin Kluger)

Denkmäler der Wasserwirtschaft „erzählen“ von einem Mega-Thema der Menschheit

„Die schönsten Stätten rund um den Globus“ betitelte einst ein prominentes deutsches Nachrichtenmagazin seinen Beitrag über die Orte auf der Liste des UNESCO-Welterbes. Augsburg gehört jetzt dazu: Seit dem 6. Juli 2019 kann die Stadt der Fugger, der Mozarts und Bert Brechts, der Renaissance und der Augsburger Puppenkiste ihren Besuchern mit dem „Augsburger Wassermanagement-System“ ein UNESCO-Welterbe bieten.

Augsburg hat jetzt etwas, das sogar München nicht hat

„Champions League im Tourismus“, freut sich Augsburgs Tourismusdirektor Götz Beck, der die im context verlag Augsburg Ende 2010 entstandene Bewerbungsidee zusammen mit dem damaligen Kulturreferenten Peter Grab vom ersten Tag an – auch gegen diverse Widerstände und mitunter sanft belächelt – verteidigt und als Chance für den Tourismus nach außen vertreten hat. Seit das „Augsburger Wassermanagement-System“ tatsächlich UNESCO-Welterbe ist, sind die Augsburger in Feierlaune und der Tourismuschef gleich mit. Denn Augsburg hat jetzt etwas, das München nicht hat und die meisten anderen deutschen Großstädte auch nicht. „Dabei brummt Augsburg ohnehin schon“, heißt es bei der Regio Augsburg Tourismus GmbH. Denn mit der Fuggerei – der von Jakob Fugger „dem Reichen“ 1521 gestifteten ältesten Sozialsiedlung der Welt –, mit dem vor exakt 300 Jahren geborenen Leopold Mozart – dem Vater und Lehrmeister Wolfgang Amadés – sowie als Geburtsstadt des weltberühmten Dichters Bertolt Brecht, als Stadt glanzvoller Renaissancebauten, römischer Relikte, des romanisch-gotischen Doms und nicht zuletzt beliebter Puppenkisten-Marionetten wie Jim Knopf und dem Urmel „ist Augsburg thematisch bestens aufgestellt“, sagt Tourismusdirektor Götz Beck.

Auf „Welterbe-Glamour“ stoßen Besucher des Maximilianmuseums: Denn dort stehen die bronzenen Originalfiguren der manieristischen Monumentalbrunnen – drei der 22 Objekte des Augsburger Wassermanagement-Systens – vor Witterung und Vandalismus geschützt unter dem Glasdach des Viermetzhofs. Die Augsburger Brunnentrias – Augustusbrunnen, Merkurbrunnen und Herkulesbrunnen (alle drei Brunnen stehen an beziehungsweise mitten auf der Maximilianstraße) – ist weltweit einzigartig. Weltweit ohne Parallele ist auch die Sammlung hydrotechischer Modelle vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, die ebenfalls im Maximilianmuseum zu sehen sind.

Das kilometerlange Kanalsystem – und das älteste Wasserwerk Mitteleuropas

Insgesamt 19 Orte in der Stadt sowie drei von 1901 bis 1922 erbaute Wasserkraftwerke am Nördlichen Lechkanal im Landkreis Augsburg stehen ganz offiziell auf der Liste der 22 Objekte der wasserreichen Welterbe-Stätte. Wobei das Wort „Ort“ für die zentrale und alles verbindende Sehenswürdigkeit, das kilometerlange Aderngeflecht der Kanäle und Stadtbäche an den Flüssen Lech und Wertach, nicht ganz passend ist. Seine schönste Ausprägung erleben Gäste der Welterbe-Stadt im romantischen Lechviertel, das mehrere Kanäle parallel und mitunter in Sichtweite voneinander durchziehen. Am rauschenden Schwallech dreht sich ein hölzernes Wasserrad: Das mächtige Pansterrad gehört zwar nicht zu den offiziellen Denkmälern der Welterbe-Stätte, erinnert hier jedoch als technisches Denkmal an vormals bis zu mehr als hundert solcher Antriebs-„Motoren“ des Augsburger Handwerks. An dieser Stelle ist man nur ein paar Schritte von einer der ganz großen Attraktionen der Welterbe-Stadt entfernt: Das Wasserwerk am Roten Tor – betrieben wohl seit 1433/34 (und dann, mit immer wieder erneuerten Pumpwerken, bis 1879) – ist mit drei Wassertürmen, zwei Brunnen­meister­häusern und einem Aquädukt nicht nur ein architektonisch komplett erhaltenes Ensemble. Dieses Wasserwerk ist sehr wahrscheinlichlich auch das älteste Deutschlands und Mitteleuropas. Trink­wasser wurde dort mit Wasserkraft maschinell in das Reservoir unter der Turmkuppel gehoben (Dieses Reservoir war kein Speicher, sondern nur ein kleines Stoß­ausgleichsbecken.) Der Große Wasserturm ist nicht nur der höchste, sondern wohl auch der älteste Wasserturm Deutschlands und weit darüber hinaus. Sogar für den Antrieb der wasserradgetriebenen Kolbenpumpen im Wasserwerk wurde ausschließlich reines Quellwasser – nach 1840 Grundwasser – verwendet. Treibwasser aus Lechanstichen kam den Augsburgern nicht in ihr größtes Wasserwerk – man betrieb hier also frühe Wasserhygiene vom Feinsten. Der Weg durch eine Dauerausstellung führt durch das Obere Brunnen­meister­haus zum Kanalwasser im Aquädukt und von dort im Kleinen und Großen Wasserturm über rund 150 Treppenstufen durch die Geschichte der einst höchst luxuriösen Augsburger Trink­wasser­ver­sorgung. „Hier ist noch keiner rausgegangen, der nicht ein Lächeln im Gesicht hatte“ , hat Götz Beck beobachtet.

Was man sehen muss: Bauten des Industriezeitalters und zwei Museen

Was man unbedingt sehen sollte? Ganz sicher den Hochablass, jenes Lechstauwehr, bei dem das Gros des Augsburger Kanalwassers ausgeleitet wird. An diesem mächtigen Sperrriegel im Fluss wird auch das Wasser des benachbarten Eiskanals ausgestaut – die Kanuslalomstrecke der Sommerolympiade von München, Augsburg und Kiel im Jahr 1972 war seinerzeit die erste künstliche Anlage dieser Art weltweit. Nebenan liegt eines der imposantesten Denkmäler in der Welterbe-Stadt: Das Wasserwerk am Hochablass löste 1879 sieben im Kern mittelalterliche Wasserwerke (vier davon sind erhalten) der rasant wachsenden Industriestadt ab. Bis 1973 versorgte diese Technik aus dem früheren Industriezeitalter zuverlässig die Großstadt. Heute wird im Untergeschoss Strom erzeugt und eine Ausstellung gezeigt. Die mächtigen gusseisernen Plungerpumpen und die meterhohen geschmiedeten Winddruckkessel hinter der schlossähnlichen Fassade im Stil der Neo­renaissance blieben als Gesamtkunstwerk der Technik erhalten.

Insgesamt zehn Wasserkraftwerke gehören zu den 22 Objekten des „Augsburger Wassermanagement-Systems“. Einige wurden ab 1901 zur Erzeugung von Strom neu errichtet. Andere waren zuvor Turbinenhäuser, in denen Kanalwasser bis ins 20. Jahrhundert Webstühle und Spinnereimaschinen riesiger Fabrikschlösser mittels mechanischer Kraftübertragung antrieb. Augsburg wurde im frühen 19. Jahrhundert „deutsches Manchester“ genannt. Warum, das zeigt das Staatliche Textil- und Industriemuseum (tim) im Augsburger Textilviertel. Stromerzeugung durch Wasserkraftwerke, den Gebirgsfluss Lech und sein Tal als Natur- und Lebensraum erklärt das Lechmuseum Bayern im 1907 errichteten Wasserkraftwerk am Nördlichen Lechkanal bei Langweid. Unter anderem sieht man hier original erhaltene Technik aus der Bauzeit und besteigt ein mächtiges Lechfloss – das aber sicherheitshalber auf dem Trockenen.

Mehr Informationen

Zu allen Objekten und Aktivitäten informiert auch die Website des Welterbe-Büros der Stadt Augsburg: www.wassersystem-augsburg.de

Von etwa 1430 bis 1879 war das historische Wasserwerk am Roten Tor in Betrieb. Mit drei Wassertürmen, zwei Brunnenmeisterhäusern und einem Aquädukt ist es ein wohl europaweit einmaliges Ensemble. Hier der Blick auf den Großen und Kleinen Wasserturm, die beiden Brunnenmeisterhäuser und das seit 1777 gemauerte Aquädukt.
Foto: Martin Kluger

Im bis 1907 erbauten Wasserkraftwerk Langweid am Nördlichen Lechkanal wird bis heute Strom erzeugt. Im dortigen Lechmuseum Bayern werden der Fluss und sein Tal, aber auch die Geschichte der Stromerzeugung aus Wasserkraft erklärt. Technik aus der Bauzeit ist zu besichtigen und – wie das zweistöckige Turbinenhaus – sogar zu begehen.
Foto: Martin Kluger

Sponsoren

Medienpartner